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Projekt EL 2022

23/08/2022

Daniel Oppermann

Im Oktober 2022 finden in Brasilien die Präsidentschaftswahlen statt. Aktuelle Umfragen zeigen, dass zwei Kandidaten bei diesen Wahlen die größten Chancen haben. Dabei handelt es sich um den amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro (aktuell Mitglied der Liberalen Partei PL) und um den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT.

Seit seinem Amtsantritt im Januar 2019 hat Präsident Bolsonaro ein umstrittenes Verhältnis zu verschiedenen Institutionen und Akteuren der brasilianischen Demokratie gepflegt. Seine Abneigung gegenüber demokratischen Institutionen und Kontrollinstanzen wie der freien Presse hat er verbal deutlich gemacht und durch umstrittene Angriffe auf Journalisten untermauert. Gleichzeitig nutzte er verstärkt soziale Medien, um seine Politik zu kommunizieren. Er betrachtet sich als Vertreter traditioneller und christlicher Werte, hat dagegen in der Vergangenheit aber auch Gewalt und Folter verbal legitimiert und seine Anhänger gegen demokratische Institutionen mobilisiert.

Lula da Silva ist als wiederkehrender Kandidat der politische Gegenspieler Bolsonaros. Unter seiner Regierung konnte Brasilien ab dem Jahr 2003 ein starkes Wirtschaftswachstum verzeichnen, das unter anderem von hohen Rohstoffpreisen getragen wurde. Auch auf internationaler Ebene konnte er Brasilien im multilateralen System etablieren. Anders als Bolsonaro erfuhr Lula da Silva ein positives Feedback von zahlreichen Regierungen der Welt, die sich dadurch eine Stärkung multilateraler politischer und wirtschaftlicher Kooperation erhofften. Der positive Ruf Lula´s wurde geschwächt durch umfassende Korruptionsvorwürfe gegen diverse Mitglieder seiner Regierung sowie gegen weitere Akteure aus der Privatwirtschaft. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch Lula später inhaftiert und in einem umstrittenen Prozess zu einer hohen Haftstrafe verurteilt, nach weniger als 2 Jahren aber wieder entlassen.

Die aktuellen Präsidentschaftswahlen stehen nicht nur im Schatten des gesellschaftlichen Konflikts um die beiden führenden Kandidaten. Sie finden statt im Kontext einer Schwächung demokratischer Prozesse und Strukturen in verschiedenen Teilen der demokratischen Welt. Dazu zählt neben dem Erstarken undemokratischer Tendenzen in verschiedenen europäischen Ländern auch die politisch fragile Entwicklung der USA, die durch einen politisch unerfahrenen und Institutionen in Frage stellenden Präsidenten Trump gar an den Rand eines gewaltsamen Umsturzversuchs gebracht wurden. Gleichzeitig formieren sich in Südamerika erneut progressive oder Mitte-Links-Kräfte, die zuletzt die Präsidentschaftswahlen in Argentinien, Chile und Kolumbien gewinnen konnten, während Europa einer durch den Krieg in der Ukraine verursachten politischen und wirtschaftlichen Krise entgegenblickt. Die sich aktuell formierende Umstrukturierung durch den Bruch Russlands mit dem Westen wird in den kommenden Jahren auch in Südamerika sichtbar werden und auch Brasiliens neue Regierung vor Herausforderungen stellen.

Das Projekt Wahlen 2022 von IMAKAY und NUPRI-USP will den Wahlprozess in Brasilien begleiten und Informationen zur Wahl, zu den Kandidaten und zum Amtsantritt im Januar 2023 bereitstellen. Zu diesem Zweck wird eine Forschungsgruppe, bestehend aus Studenten der Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen, Sozialwissenschaften und anderen Forschungsgebieten, gegründet, die den Prozess in verschiedenen Teilen des Landes begleitet. Die Ergebnisse werden auf Portugiesisch und teilweise auf Englisch und Deutsch zur Verfügung gestellt.